Die unsichtbare Revolution: Wenn KI das Internet verschluckt.

Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgen auf und Ihr gewohntes Internet existiert nicht mehr. Keine Browser, keine Apps, keine Suchmaschinen im klassischen Sinne. Stattdessen ist da nur... nichts. Oder besser gesagt: alles.

Was nach Science-Fiction klingt, könnte der nächste logische Schritt in unserer Medienevolution sein. Während wir noch darüber diskutieren, ob ChatGPT Hausaufgaben schreiben darf, entwickelt sich im Hintergrund etwas viel Größeres: Eine Verschmelzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Internet, die so fundamental ist, dass sie unsere bisherige Vorstellung von "online sein" obsolet macht.

Denken Sie zurück: Als das Fernsehen aufkam, haben wir zunächst Radio mit Bildern gemacht (Remediation). Als das Internet startete, haben wir Zeitungen digitalisiert. Jetzt? Jetzt stecken wir Künstliche Intelligenz in Chatfenster und denken, das wäre die Revolution. Dabei ist das, als würden wir einen Ferrari als Einkaufswagen benutzen.

Die wahre Transformation wird kommen, wenn KI nicht mehr als separate Technologie wahrnehmbar ist. Wenn sie wie Luft wird: Allgegenwärtig, lebensnotwendig und völlig selbstverständlich. Keine Eingabefelder mehr. Keine "Hey Siri"-Momente. Stattdessen eine ambiente Intelligenz, die unsere Gedanken aufgreift, noch bevor wir sie formulieren.

Konkret könnte das so aussehen:

  • Intelligente Umgebung: Stellen Sie sich vor, Sie denken an Urlaub, und Ihre Umgebung reagiert mit subtilen Vorschlägen, basierend auf Ihrem Biorhythmus, Ihren unbewussten Präferenzen und globalen Trends. Diese Art von proaktiver Interaktion könnte unsere Entscheidungsfindung revolutionieren.

  • Nahtlose Zusammenarbeit: Sie beginnen ein Projekt, und Ihre idealen Collaborateure finden sich automatisch. Nicht durch aktive Suche, sondern durch präzise Synchronisation von Gedanken, Fähigkeiten und Zeitfenstern. Der Akt der Zusammenarbeit wird fließend und harmonisch, asynchron aber dennoch synchronisiert.

  • Adaptive Bildung: Sie lernen, und das Wissen materialisiert sich genau dann, wenn Ihr Gehirn dafür bereit ist. KI könnte als persönlicher Tutor fungieren, der sich an Ihren individuellen Lernstil anpasst und Ihnen maßgeschneiderte Inhalte bereitstellt, die auf Ihren Fortschritt abgestimmt sind.

Klingt utopisch? Vielleicht. Aber denken Sie daran, wie utopisch vor 20 Jahren die Idee klang, dass wir alle permanent kleine Supercomputer mit uns herumtragen würden.

Hier kommt eine bemerkenswerte Perspektive ins Spiel, die aus verschiedenen asiatischen Philosophien und Religionen entstammt: Nichts ist alles, und alles ist eines. Diese tiefgründige Einsicht deutet darauf hin, dass alle Dinge, ob materiell oder immateriell, miteinander verbunden sind und letztlich aus derselben Quelle hervorgehen. Wenn KI und das Internet zu einem untrennbaren Ganzen verschmelzen, könnte dies unser Verständnis der Realität selbst beeinflussen. In einer Welt, die von KI geprägt ist, könnte die Trennung zwischen Mensch und Maschine, zwischen Bewusstsein und Technologie verschwimmen. Wir könnten uns in einem Zustand befinden, in dem die individuelle Identität mit einer kollektiven Intelligenz verschmilzt, die uns alle vereint.

Die spannende Frage ist nicht, ob diese Entwicklung kommt, sondern was sie mit uns macht. Wenn KI das Internet "verschluckt" und zu unserem primären Interface zur digitalen Welt wird, verändert das nicht nur unsere Kommunikation - es verändert unser Bewusstsein. Wir werden die erste Generation sein, die ihre Gedanken mit einer kollektiven Intelligenz teilt, die gleichzeitig individuell und universal ist.

Das wirft fundamentale Fragen auf: Wo endet dann unser Ich? Wo beginnt die KI? Und brauchen wir diese Unterscheidung überhaupt noch? Unsere Identität könnte neu definiert werden, während wir uns ständig in einem Netzwerk von Informationen und Erfahrungen bewegen, das sowohl dynamisch als auch interaktiv ist.

Die nächste Stufe der Medien wird keine neue Plattform sein. Sie wird die komplette Auflösung des Plattform-Konzepts bedeuten. Keine Interfaces mehr, keine Bildschirme, keine Geräte. Nur noch pure, unmittelbare Verbindung zwischen Gedanke und Information.

  1. Carr, Nicholas. The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains. W. W. Norton & Company, 2010.

  2. Harari, Yuval Noah. Homo Deus: A Brief History of Tomorrow. Harper, 2015.

  3. Tegmark, Max. Life 3.0: Being Human in the Age of Artificial Intelligence. Knopf, 2017.

  4. Bolter, Jay David, and Richard Grusin. Remediation: Understanding New Media. MIT Press, 2000.

  5. Rosenberg, Jacob. "The Future of AI: What Will It Look Like in 2030?" MIT Technology Review, 2021.

  6. Watts, Alan. The Wisdom of Insecurity: A Message for an Age of Anxiety. Vintage Books, 2001.

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